Freitag, 28. August 2015

Interne Unternehmenskommunikation: Ein Modell, viele Instrumente

Unternehmen lassen sich als organisierte Sozialsysteme beschreiben. Ihre Funktion für die Gesellschaft ist die Versorgung mit knappen Gütern. Ihre Zielsetzung ist das Erzielen von Gewinn, um dadurch langfristig die Zahlungsfähigkeit zu sichern. In dieser Perspektive erscheint es klar, dass Kommunikation – also das Auslösen koordinierten Verhaltens zwischen getrennten Lebewesen – die zentrale Voraussetzung für Erfolg ist. 

Die Fähigkeit, Gewinn zu erzielen, ist letztlich eine Folge der kommunikativen Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Es verwundert daher, dass in Theorie und Praxis gleichermaßen die Rolle der Kommunikationsprozesse im Unternehmen wenig thematisiert werden. 


Interne Unternehmenskommunikation wird traditionell als Aufgabe
des Human Resource Management und der Public Relations interpretiert
Unter dem sperrigen Begriff der internen Unternehmenskommunikation findet man in der Literatur zwei Themenkomplexe vereinigt: Zum einen die innerbetriebliche Informationspolitik mit der Aufgabe der Bereitstellung arbeitsrelevanter Daten und Fakten, die die Mitarbeiter zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (need to have, meistens organisiert durch die Personalabteilung in Abstimmung mit den einzelnen Fachabteilungen). Zum anderen die Mitarbeiterkommunikation mit der Aufgabe, die Mitarbeiter als relevante Stakeholder-Gruppe zu adressieren und entsprechende Nachrichten und Themen für dieses klar umrissene Publikum mit journalistischen Mitteln umzusetzen (nice to have, meistens organisiert durch die PR-Abteilung in Abstimmung mit der Geschäftsleitung). 

Beide Aspekte werden im betrieblichen Alltag eher als untergeordnet und nebensächlich verortet, während die big points bei Finanzierung, Absatz oder Technologie gemacht werden. Diese Sichtweise ist eine Folge der Erfahrungen aus der industriellen Revolution, die sich in der Ausbildung und der Arbeitsweise der handelnden Personen niederschlägt. Schaut man jedoch auf die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft, verschiebt sich der Fokus: 

  • Projektmanagement: Immer öfter scheitern Projekte und als zentraler Grund wird mangelhafte Kommunikation angeführt
  • Innovationsfähigkeit: In Zeiten, in denen Grundbedürfnisse zumindest in den Industriegesellschaften als befriedigt einzuschätzen sind, kann neuer Bedarf nur durch neue Produkte erzeugt werden. Innovationen entstehen aber heute weniger durch Technologie, als durch kreatives (also kommunikativ erschlossenes) Re-Arrangement bestehender Technologien
  • Change Management: Umweltfaktoren ändern sich immer schneller (Stichwort: digital transformation). Dies erfordert eine Beschleunigung des Wandels in den Unternehmen. Veränderungsprozesse aber sind zuallererst Kommunikationsprozesse.
  • Employee Engagement: Je stärker Produktqualität und Kundenerlebnis durch die Mitarbeiter beeinflusst wird, desto wichtiger ist es, Engagement und Selbstverpflichtung der Belegschaft zu erhöhen.
  • Knowledge Management: Das verborgene Wissen (tacit knowledge) innerhalb von Organisationen lässt sich ausschließlich kommunikativ heben.
  • Leadership: Erfolgreiche Führung beruht auf der effektiven Beeinflussung der Untergebenen. Diese benötigt formale Macht aber noch viel mehr informelle Reputation, die ein Resultat der kommunikativen Fähigkeiten ist.  
Unsere Grundannahme ist es, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen (also die Fähigkeit, Gewinn zu machen) eine direkte Folge der kommunikativen Leistungsfähigkeit der Organisation ist. Je höher die kommunikative Kompetenz eines Unternehmens, desto höher seine Profitabilität. 

Dies gilt natürlich nicht für alle Branchen. In Landwirtschaft und Rohstoffförderung mag das anders aussehen. Aber in den Wirtschaftszweigen, die wesentlich die Wertschöpfung einer modernen Gesellschaft ausmachen, vermuten wir, dass sich als eine Begleiterscheinung der digital transformation die kommunikative Leistungsfähigkeit zum zentralen Erfolgsfaktor von Unternehmen entwickelt. 

Dieser Umstand lässt sich makrotheoretisch recht einfach erklären: Gesellschaftliche Entwicklung ist nichts anderes als die Steigerung von Komplexität. Komplexität erhöht sich durch neue Kommunikationsfähigkeiten. Diese entstehen als Folge der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Medien, die als Katalysatoren von Kommunikation dienen. Erhöhte Komplexität der Umwelt bedingt eine höhere Komplexität im System: die Unternehmen selbst werden komplexer. Diese erhöhte Komplexität wiederum lässt sich nur kommunikativ bewältigen.


Unterschiedliche Arten von Systemen im Sinne von Beobachtungsrahmen
In systemtheoretischer Perspektive unterscheidet man verschiedene Typen von Systemen, z.B. technische Systeme, biologische Systeme, psychische und soziale Systeme. Soziale Systeme sind Systeme (Beobachtungseinheiten), die aus koordiniertem Verhalten entstehen: Menschen arbeiten zusammen, sprechen, tauschen sich aus, lesen Zeitung, schauen Fernsehen, kurzum: sie kommunizieren sich (sie bilden temporär eine Gemeinschaft). 

Soziale Systeme kann man wiederum in verschiedene Typen unterscheiden. Luhmann schlägt dafür die Einteilung in Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Funktionssysteme vor. In Unternehmen (wie auch in allen anderen Formen von Organisationen) treffen diese drei Typen sozialer Systeme zusammen: Mitarbeiter interagieren. Die Organisation entwickelt Verfahren, wie Entscheidungen festgelegt und ausgeführt werden. Und die Organisation legt fest, wie sie ihre Funktion für die Gesellschaft wahrnimmt. 


In der internen Kommunikation müssen drei unterschiedliche Typen hinsichtlich ihres
Systembezugs unterschieden werden: Interaktion, Organisation und gesellschaftliche Funktion
Diese drei Dimensionen bilden die Eckpfeiler für ein Verständnis der kommunikativen Leistungsfähigkeit als zentralem Erfolgsfaktor von Unternehmen. Unternehmenskommunikation ist das Zusammenspiel aller kommunikativen Prozesse innerhalb einer Organisation, deren Ziel es ist, Gewinn zu machen. Man kann interne Unternehmenskommunikation demnach auf drei Ebenen untersuchen: 

  • als Interaktion zwischen den Mitarbeitern, 
  • als Durchführung von Entscheidungen durch die Organisation an die Mitarbeiter und 
  • als Festlegung der Selbstbeschreibung des Systems in Bezug auf seine Umwelten. 
Um diesen theoretischen Analyserahmen für den betrieblichen Alltag nutzbar zu machen, stellt sich die Frage, wie man diese Arten organisationsinterner Kommunikation nutzbar machen kann oder in anderen Worten: Wie kann man interne Kommunikation als Instrument für die Ziele des Unternehmens einsetzen, um zu messbaren Resultaten zu kommen? 


In vier Feldern können Organisationen ausgestaltet werden.
Dies gilt auch für die Instrumentalisierung der internen Kommunikation.
Diese Fragestellung lässt sich durch einen Blick auf die Leistungserstellung innerhalb von Organisationen beantworten. Eine Organisation verfolgt immer einen Zweck. Um diesen Zweck umzusetzen, muss die Organisation in vier Stoßrichtungen aktiv werden: 

  • Durch Hierarchie legt das System fest, wie Entscheidungen getroffen werden. Hierarchie führt zu Delegation (Arbeitsteilung) und reduziert die interne Komplexität.
  • Durch Kooperation legt das System fest, wie zusammengearbeitet wird (wie Entscheidungen umgesetzt werden). Kooperation führt zu Adaption (Anpassung) und steigert die interne Komplexität.
  • Durch Stabilität legt das System fest, wie hoch die Redundanz innerhalb der Organisation ist und schafft dadurch Verlässlichkeit gegenüber der Umwelt (auch diskutiert als operational excellence bzw. Prozesssicherheit). Redundanz steigert die strukturelle Dichte. 
  • Durch Flexibilität legt das System fest, wie offen es auf geänderte Umweltbedingungen reagiert (Innovationsfähigkeit). Flexibilität führt zur Emergenz (plötzliches Entstehen neuer Strukturen) und senkt die strukturelle Dichte. 
Grundansatz zu einem Modell der internen Unternehmenskommunikation entworfen über die drei Typen der Systembildung (Interaktion, Organisation und Funktion) und die vier Gestaltungsräume innerhalb der Organisationen entwickelt werden können (Hierarchie, Kooperation, Flexibilität und Stabilität)
Führt man beide Perspektiven– drei unterschiedliche Typen sozialer Systeme innerhalb des Unternehmens und vier operative Gestaltungsräume der Organisation hinsichtlich ihres Umgangs mit Komplexität und ihrer strukturellen Dichte – zusammen, lässt sich erkennen, wie umfassend und grundlegend interne Kommunikation für die Leistungserstellung ist. 

Auf der Ebene der Interaktion lassen sich dann in den Gestaltungsräumen z.B. Instrumente wie Meetings (Hierarchie), Verkaufspräsentationen (Kooperation), Verhandlungsführung (Stabilität) und Small Talk (Flexibilität) einordnen. 


Beispielhafte Instrumente der internen Unternehmenskommunikation auf Ebene der Interaktion
Auf der Ebene der Organisation sprechen wir über Instrumente wie das Organigramm (Hierarchie), Projektkommunikation (Kooperation), Prozessnotation (Stabilität) und Design Thinking (Flexibilität). 

Beispielhafte Instrumente der internen Unternehmenskommunikation auf Ebene der Organisation

Auf der Ebene der Funktion kann man z.B. Instrumente wie das Mitarbeiterinformationssystem (Hierarchie), die Unternehmenskultur (Organisation), Corporate Identity (Stabilität) und Wissensmanagement (Flexibilität) einsetzen. 
Beispielhafte Instrumente der internen Unternehmenskommunikation auf Ebene der Funktion
Mitnichten geht es bei dieser Modellierung nur um eine theoretische Konstruktion, um koordiniertes Verhalten (Kommunikation) zu beschreiben, sondern um einen Erklärungsansatz, um zu verstehen, wie kommunikative skills gelernt und sowohl effektiv als auch effizient eingesetzt werden können, um die kommunikative Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. 

Es ist verwunderlich, wie wenig Fokus in der Ausbildung auf gerade die Instrumente der Interaktion gesetzt wird, sind sie es doch, die im betrieblichen Alltag darüber entscheiden, wie gut Mitarbeiter in die Leistungserstellung eingebunden werden. Eigentlich müsste das das Kernstück der betriebswirtschaftlichen Ausbildung sein. Ebenso erstaunlich ist, wie wenig Kommunikationsprofis innerhalb von Medienstudiengängen mit medialen Entwicklungen vertraut sind, die durch Technologie getrieben sind, wie die Erzeugung von Informationen aufgrund von big data applications (business intelligence, business analytics) oder die Verwendung von Notationsverfahren zur Beschreibung betrieblicher Abläufe (business process modeling).